Mein FlowProzess

Dec 31 / Christine Weber
Ich erinnere mich, wie wenn es gestern gewesen wäre. Es war ein milder Sonntag im Appenzellerland während des ersten Lockdowns im Jahr 2020. Ich verbrachte den Lockdown vor allem in Teams Meetings und war ausgelaugt, erschöpft und kaputt.

An jedem Sonntagnachmittag bekamen wir Besuch von einem lieben Freund und wir sprachen über unsere beruflichen Zukunftsideen.

Und da passierte es, unverhofft, aber bestimmt. Es bestand no way back. Ein Leben vor und ein Leben nach meiner Aussage. Es rutschte aus mir heraus, wie wenn ich unbewusst schon Jahre auf diesen Moment gewartet hätte. Ich sagte mit aller Inbrunst:

«Wenn ich bis zur Pension in einem Bürojob bleibe, habe ich im Leben versagt».

Wow, was für ein Statement. Alle haben es gehört, aber mich hat es bis ins Innerste erschüttert. Nun lag es an mir, dies anzupacken und nicht als Versagerin zu enden. Wer will schon vor sich selbst das Gesicht verlieren, so wirklich das Gesicht verlieren.

Meine Aussage jetzt soll nicht überheblich klingen, doch ich war mir sehr bewusst, dass ich im Leben mit so vielen Gaben und Talenten bestückt worden bin. Und dass es nur an mir lag, dass bis heute in einer beruflichen Rolle festgefahren war, die ich mir nie gewünscht hatte. Es wurde mir in diesem Moment so richtig bewusst, dass ich in einen beruflichen Weg reingerutscht war, den ich von Tag 1 an abgelehnt habe. 

Life is a bitch.

Aber die Aussage war gemacht. Ich musste es ändern. Jetzt.
Es folgten drei Jahre ohne äusserlich sichtbaren Fortschritt. Aber es waren drei Jahre magische, transformierende Jahre. Irgendwas ist mit mir geschehen, denn

plötzlich nahm alles Fahrt auf und innerhalb knapp eines Jahres realisierte ich meinen ersten Golf Onlinekurs, erste Saisoncoachings, Veröffentlichung meines ersten Buchs «In der Ruhe liegt dein Golf», Kündigung meines Bürojobs, und nach Jahren wieder Verbesserung meines Handicaps. Und zum Schluss dieses zauberhaften Jahres 2023 schliesslich die Aufnahme meines Golf Blogs.

Nun will ich also berichten, was mich zu dieser Transformation geführt hat. In Kürze, es ist das, was ich in meinem Coaching als «FlowProzess» bezeichne.

Der FlowProzess ist nicht anderes als die wesentlichen Dinge beständig zu tun, immer wieder, Tag für Tag. Und plötzlich greift das Momentum, plötzlich ist der da, der Flow. Nicht für immer, es braucht weiterhin die Disziplin und die Hingabe, die wesentlichen Dinge beständig zu tun. Doch das Leben verändert sich, es wird leichter, fröhlicher, selbstbestimmter und sogar wirkungsvoller für die Gemeinschaft.

Vielleicht nennt man dies sogar Erfüllung. Erfüllung ist kein Zufallsereignis, sondern das, was aus der Disziplin entsteht, wenn man die wesentlichen Dinge beständig tut. Und so lief das für mich.

Mein Flow Prozess

Schritt 1: Der Entschluss

Tag 1, meine erschütternde Aussage, dass ich meinen Bürojob nicht zur Pension behalten darf, sonst würde ich mich für immer als Versagerin fühlen. Ich kontaktierte meinen Coach Karl Morris, mit dem ich bereits mehrmals Coachings durchgeführt hatte. Wir haben ein weiteres Jahrescoaching vereinbart, mit dem Ziel mein Business Birdieputt voranzubringen.

Schritt 2: Die alte Story

Unser erster Schritt – und dies hatte ich in dieser Intensität bisher ausgelassen – bestand darin meine Lebensgeschichte aufzuschreiben. Es interessierten vor allem Ereignisse, die mich davon abgehalten hatten, mein Potenzial zu leben. Sei es im Sport, im Beruf, in der Familie.

Ich verstand nämlich bis dato nicht, weshalb ich bei allem Fleiss, den ich in meine Ideen und Projekte steckte, nicht schon längst den Return on Investments geniessen konnte.

Also dokumentierte ich meine Erfolge und Misserfolge im Sport, meine beruflichen Entwicklungen und Herausforderungen, meine familiären und sozialen Bindungen und Lebensphasen. Und siehe da, plötzlich zeigten sich überschneidende Muster, wiederholende Gefühle und Emotionen, die sich durch Sport, Beruf und in sozialen Bindungen zeigten. Spannend.

Wir nahmen uns sicher 3-4 Wochen Zeit, um diese alten Geschichten und Gewohnheitsmuster niederzuschreiben, zu besprechen, anzuschauen, zu verstehen. Es war gut, dass dies sichtbar wurde, wenn wir wussten, somit, auf welche Reaktionsmuster wir uns Achten mussten.

Es war für mich eine Herausforderung so lange bei der unangenehmen alten Story zu verweilen. Es ist bekanntlich ein menschliches Muster, dass wir unangenehmen Situationen ausweichen, und uns somit möglichst schnell einem anderen Thema widmen und uns emsig damit beschäftigen.

Schritt 3: Die neue Story

Nun, ging es darum zu formulieren, was das mittelfristige Ziel ist, wo ich in 3, 4 Jahren stehen wollte. Das waren nicht einfach ein paar Bullet-Points, sondern ein paar Seiten Fliesstext. Ich bekam eine konkrete Vorstellung, wie das in Zukunft sein könnte, wie sich der Alltag gestalten würde, wie ich mich dabei fühlte.
Ich formulierte weiter, was ich Tag für Tag dafür tun würde, um das Ziel zu erreichen.

Ich formulierte auch, welche Herausforderungen auf mich zukommen könnten (die altbekannten, die mich bisher ausser Gefecht gesetzt haben) und wie ich damit neu umgehen wollte.
Ich war gewappnet, nicht nur fürs Gute, sondern auch für die Herausforderungen.

Schritt 4 bis 4444 –Preview, Action, Review

Ich für mich machte einen Wochen- und einen Tagesplan. Immer schrieb ich auf, was ich heute für mich als Person, als Sportlerin, als Birdieputt Frau tun könnte und notierte meine Erkenntnisse des Tages.

Das ging nicht immer sanft. Manchmal war ich überwältigt mit, weil ich mir Zuviel aufhalste. Manchmal hatte ich keine Lust, manchmal tat ich so, als ob ich es vergessen hätte.
Doch zum Glück hatte ich mein Backup. Ich hatte mit meinem Coach vereinbart, dass ich ihm im Wochenrhythmus über meinen Fortschritt berichten würde. Was ich für mich und für Birdieputt gemacht habe. Was meine Erfolge waren. Was meine Herausforderungen waren. Wie ich diese bewältigt habe. Und was für die nächste Woche auf dem Plan stand.
Karl kommentierte immer, hielt mich motiviert, reflektierte mit mir. Ich lernte von ihm und ich lernte von mir.
Und das Woche für Woche. Jahr für Jahr.

In unserer schnelllebigen Zeit, einer Zeit von Quick-fixes und schnellen Hippes, scheint Beständigkeit und Ausdauer an Wert zu verlieren. Oder sagen wir so, Beständigkeit ist scheint vielleicht etwas old-fashioned und ist weniger sichtbar. Noch kein Stern ist je vom Himmel gefallen, soll heissen: Niemand wurde über Nacht zum Star, ohne der er/sie sich bereits jahrelang geschliffen hat. Jahrelang trainiert, versagt, daraus gelernt und sein Handwerk perfektioniert hat. 

Ich glaube, Beständigkeit, Reflektion, und der richtige Fokus, ist der einzige Weg zu einem befreiten Sein.

ÜBER DIE AUTHORIN

Christine Weber

"Birdieputt ist mehr als Golf Mentaltraining Schweiz – es ist meine Passion, Menschen auf dem Golfplatz zu begleiten."
In ihren Kursen, Coachings und Golfgruppenreisen, verknüpft Christine Weber auf magische Weise ihre eigenen Erfahrungen als Golferin mit Handicap 4.5 und als Golf Mental Coach. Sie kennt die Nöte der Golferinnen und Golfer nur zu gut. In ihrem Buch “In der Ruhe liegt dein Golf” veranschaulicht sie mit unterhaltsamen Geschichten, warum uns Golf den letzten Nerv raubt.

Christine Weber ist 50 Jahre alt und hatte während rund 20 Jahren verschiedene Führungspositionen in der Wirtschaft und Verwaltung inne. Christine Weber ist Betriebsökonomin, Golf Mental Coach und Komplementärtherapeutin. 

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